Band 4 "Jagen"
Aus dem Inhalt:
„In meiner Klasse“, sagt Lina, „behaupten manche dennoch, die Jäger seien
Mörder, weil sie Tiere töten und dafür das Schießen lernen.“
„Das ist die Meinung der Jagdgegner“, entgegnet Opa und versucht ruhig zu
bleiben, „gäbe es keine Jäger, so hätten wir heute kein Rotwild, keinen Rehbock
mit artgerechten Trophäen, keine Hasen und Rebhühner mehr im Wald und auf
den Feldern. Hirsche und Rehwild würden mit verkrüppelten Geweihen und Gehörnen
weiter existieren, in den Hochgebirgen wegen fehlender Hege und Winterfütterung
wohl ganz verschwinden. Das Niederwild würde von Greifvögeln,
Fuchs und zugewanderten Raubtieren wie Waschbär, Marderhund und Mink
völlig aufgefressen sein, wodurch auch diese Fleischfresser verschwinden würden.
Nur das Schwarzwild würde sich vermehren und uns das Leben schwermachen. Ihr seht also, die Natur würde sich verändern.
Die Jagdgegner fordern eine Naturlandschaft, denn die Natur würde alles von
selbst regeln. Wir haben aber heute seit Beginn des Industriezeitalters eine Kulturlandschaft,
in der die Natur kaum noch etwas eigenständig regeln kann. Der
Kulturmensch treibt in der Natur Sport, will sich dort erholen, er will wandern,
Berge besteigen, Ski laufen, joggen, Nordic Walking betreiben, biken, reiten und
vieles mehr. Er greift also in die Natur ein. Der moderne Landwirt demgegenüber
bewirtschaftet in Monokultur nur noch größtmögliche Äcker, weil sie größere
Ernten bringen, und die braucht er, will er im globalen Markt mithalten. Dafür liefert
die Maschinenindustrie die erforderlichen Großgeräte. Kleine Wegraine, Hecken
und Gebüsche fehlen heute in der Landschaft, zum Nachtteil der Rebhühner
und Hasen. Für all diese Eingriffe in die Natur muss der Jäger einspringen und
versuchen, die Lebensräume aller frei lebenden Tiere zu erhalten und zu verbessern.
Er unterstützt damit ganz besonders den Wildtier- und Artenschutz.
Trophäenkult und Lust am Töten werfen uns die Jagdgegner vor. Richtig ist, dass
die Jagdgesetze die Regeln des Tierschutzes enthalten und der Jäger darüber hinaus
nur nach den Grundsätzen der Waidgerechtigkeit die gesetzlich vorgegebenen
Abschusspläne erfüllt. Das Erlegen eines Wildtieres ist nur ein kleiner Teil des
Jagderlebnisses. Die Waidgerechtigkeit verpflichtet den Jäger, das Wild zu hegen,
ihm in Notzeiten beizustehen und beim Erlegen nicht leiden zu lassen. Dafür hat
er ständig seine Schießleistungen zu überprüfen. Die Trophäen dienen dem Jäger
nicht dazu, sein Geltungsbedürfnis zu steigern, vielmehr zeigt der Kopfschmuck
von Hirsch, Rehbock oder Gamsbock die Verfassung und Vitalität der Wildart,
aber auch die Qualität des Lebensraumes. Und hierdurch erkennt der Jäger das Ergebnis
seiner Hege. Ziel ist es also, dass sich Hochwild und Rehe mit ausgeprägten
Geweihen und Gehörnen fortpflanzen, wobei dem Jäger bewusst ist, dass
Hirsche und Rehböcke mit spießartigen Geweihen und Gehörnen den anderen
Artgenossen gefährlich werden können, vor allem in der Brunft- beziehungsweise
Blattzeit – und hier muss in den Wildbestand eingegriffen werden.
Was die Jagdgegner nicht sehen, ist die Hegearbeit der Jäger; nur wir Jäger gewährleisten
den Artenreichtum der wildlebenden Tiere in der Natur. So schreiben
auch die Regeln in den Jagdgesetzen strenge Hege- und Schutzmaßnahmen für
das Wild vor. Wir müssen ganz klar sehen, dass die Hege der Jäger den Bestand
der Tierwelt erhält.
Was auch hervorgehoben werden muss, ist das Engagement des Bundesjagdverbandes
bei Verkehrsprojekten in freier Natur. So haben die Jäger mit Erfolg
dafür gesorgt, dass bei neuen Autobahnen Grünbrücken im Zuge von Wildwechseln
gebaut werden. Diese bis zu zwanzig Meter breiten Brücken sind so bepflanzt,
dass das Wild die Übergänge gern annimmt. Wildschutzzäune entlang
der Autobahn führen zudem das Wild zu den Grünbrücken.
Der Forderung der Jagdgegner, das Jagen generell zu verbieten, ist also recht
einfach zu begegnen. Die Natur kann nur im Zusammenhang mit dem Menschen
als Ganzes betrachtet werden. So darf zum Beispiel das Schwarzwild nicht überhand
nehmen, damit es dem Menschen nicht gefährlich wird; ebenso kann ein
zu hoher Wildbestand durch Aufwühlen von Wiesen und Äckern und durch Verbiss
in den Wäldern erhebliche Schäden anrichten und letztlich ist das Wildbret
ein Lebensmittel, dass den anderen Eiweißträgern weit überlegen ist.
Um nun das Wildbret ohne Belastungen verzehren zu können, versorgt der Jäger
das erlegte Wild mit großer Sorgfalt. So lässt er das erlegte Wildschwein von
einem Tierarzt auf Trichinen untersuchen. Damit die Qualität des Wildbrets nicht
beeinträchtigt wird, erlegt der Jäger das Wild hauptsächlich auf dem Ansitz. Denn
bei lauten Drückjagden würde das Wild die Gefahr erkennen und beim Flüchten
Stresshormone, die, besonders als Adrenalin, durch die Nieren in das Blut gelangen
und so die Herzfrequenz und den Blutdruck erhöhen. Also: Jagd vom Ansitz.“
„Das war eine richtige Vorlesung“, bewundert Oskar seinen Vater, „wie auf der
Universität.“
„Ich habe ein paar Jagdfotos mitgebracht“, fährt Vater Otto fort, „an ihnen könnt
ihr am besten das Schöne an der Jagd erkennen“, mit diesen Worten zieht er aus
seiner Tasche drei Alben, schlägt eines auf und beginnt:
„Lasst uns das Album einmal durchblättern.“
„Wollen wir die Bilder nicht an die weiße Wand werfen?“, fragt Oskar „ich habe
dafür einen Projektor, auf den du die Albumseiten legen kannst. So können wir
alle gleichzeitig die Bilder sehen.“
„Gute Idee“, stimmt Vater Otto zu und Oskar holt das Gerät und das erste
Bild erscheint an der Wand.
„Auf diesem Gemälde sehen wir den Heiligen Sankt Hubertus, den Schutzpatron
der Jäger, wie er vor dem Kreuz tragenden Hirsch kniet“, erläutert Großvater,
„Hubertus wurde um 655 in Toulouse geboren und starb am 30. Mai 727 in Belgien.
Er lebte als Pfalzgraf am Hof Theoderichs III. in Paris, später in Metz am
Hof Pippins. Als Hubertus verwitwete, ging er als Einsiedler in die Wälder der
Ardennen, wo er das Christentum verbreitet. 705 wurde er Bischof von Maastricht
und verlegte 716 seinen Bischofsitz nach Lüttich, wo er eine Kathedrale
bauen ließ und als Wohltäter bekannt wurde. Seit etwa 1500 wird die Sage erzählt,
er sei auf der Jagd von einem prächtigen Hirsch mit einem Kruzifix im Geweih
bekehrt worden. Seine Gebeine wurden am 3. November 743 erhoben und
in den Ardennen, dem heutigen Ort Saint-Hubert, beigesetzt. Hubertus ist
Schutzpatron der Jagd, der Schützen, Kürschner und anderer Berufsgruppen.
Die Hirschlegende wird auch dem Heiligen Sankt Eustachius zugeordnet, der um
das Jahr 118 als Märtyrer starb. Als Placidus war er Heermeister einer Legion
unter dem römischen Kaiser Trajan. Auf der Jagd erschien ihm ein Hirsch mit
dem im Geweih tragenden Kreuz und er hörte eine Stimme, die sprach, sie sei
Christus, der Himmel und Erde erschaffen habe. Auch seine Frau vernahm die
Stimme, woraufhin sich Placidus mit seiner Familie taufen ließ und den Namen
Eustachius erhielt. Als er sich unter Kaiser Hadrian weigerte, heidnischen Göttern
zu opfern, starb er den Märtyrertod. Der Gedenktag für Eustachius ist der
20. September. Er wird als Helfer in allen schwierigen Lebenslagen angerufen.
Auch er ist Schutzpatron der Jäger und sein Gedenktag wird häufig in Bayern
und Österreich gefeiert. Wir Jäger in Norddeutschland feiern Hubertus als
Schutzpatron. So werden am 3. November oder am Sonntag darauf Gottes-
dienste zu seinen Ehren gehalten. Auch meine Waldhornbläsergruppe umrahmt
mit historischer Musik diese Feiern und ein alter Jäger hält die Hubertusrede.
Die kleine Kirche war voll besetzt; den Predigttext konnten wir anschließend
einsehen. Am Ausgang der Kirche lagen ein paar Prospekte der Jägerstiftung
,Natur und Mensch“ zum Mitnehmen.
„Es ist ja gewaltig, dass die Hubertuslegende heute so aktuell ist“, bewundert
Oskar das Bild, „und dass du alles so aus dem Stegreif erzählen kannst.“
„Nun“, lächelt Vater Otto, „die Hubertuslegende habe ich schon oft genug in
der Kirche vorgetragen und da kenne ich sie auswendig, die Geschichte von der
Umkehr eines Menschen. Viele von uns sollten auch umkehren, besonders von
der Bequemlichkeit. Zwei Fotos zeigen den Hubertus, einmal im Gemälde
und einmal in Stein gemeißelt vor der Hubertusgrotte. Sie birgt auch eine
Kapelle, die fünfzig Meter tief in den Felsen geschlagen worden ist. Sie liegt in
der Gemeinde Bockenem, südlich von Hildesheim. Die Hubertuslegende mit
ihrer Bedeutung habe ich aufgeschrieben, ihr könnt sie bei mir lesen.
Nun geht es mit Bildern aus der Jagdpraxis weiter. Wer etwas Heiteres über die
Jagd sehen will, sollte im Buchladen oder Internet nach Heinz Geilfuß fahnden.
Er ist einer der wenigen Maler, der die Jagd auf heitere bis lustige Weise aufs
Blatt bringt. Die Fürstenjagd mit Pferd und Falken können wir heute nur
auf Gemälden nachempfinden, hier in einem Museum fotografiert. Die nächsten
beiden Gemälde sind Geschenke für die gute Schweißhundeprüfung meines
Deutsch-Drahthaar-Rüden vor fünfzig Jahren, Birkhahn und Sauen auf Öl. Die meisten Bilder, die jetzt folgen, stammen aus den sechziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts, so die Beizvögel Bussard, Habicht und Falken, der Uhu für die Krähenjagd. Die Schweißhundeführung eines
alten Freundes zeigt, wie sein Jagdspaniel den Anschuss auf einer Prüfung untersucht.
Dann folgt eine Hasenstrecke nach einer Treibjagd im Winter.
Etwas Lustiges sodann: der Eichhornskat, schaut, wie die Igelmutti das
Bier herbeibringt und wie der Eichelhäher im Baum ,kibitzt’. Der erlegte Rehbock
unseres Urgroßvaters darf nicht fehlen und schließlich ein paar Bilder
vom Wild, die Bachen mit Frischlingen, der Fasan im Frühjahr, das Reh
an der Kirrung und der Wildschaden von den Sauen und der Wald im Winter. Nun aber das besondere Bild: der gestreckte Überläufer. Ja, auch das
gehört zur Jagd.
Das waren nun die Jagdfotos im Schnelldurchgang. Welche Fragen habt ihr
dazu?“
„Was hast du für die beste Schweißarbeit gemacht?“, möchte Martin wissen,
„hast du für die beiden Ölgemälde mit dem Schweißgerät gearbeitet?“
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